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Die erste Woche II
01:09 MEZ Jetzt muß ich aber wirklich mal erzählen, wie es mir in der ersten Woche hier ergangen ist. Mein Papa hat mich herbegleitet (um hinterher das Auto zurückzufahren) und so konnte ich etwas mehr Sachen mitnehmen. In den ersten paar Tagen haben wir Freunde besucht, u.a. waren wir in Övralid, dem Heim des schwedischen Dichters Verner von Heidenstam an der Nordspitze des Vätterns. Am Sonntag haben wir meine Schwester und ihre Freundin in Linköping vom Bahnhof abgeholt und uns das Freilichtmuseum Gamla Linköping angesehen. Wir haben auch vergeblich versucht, die Cloetta Schokoladenfabrik zu finden und sind zum Cloetta Center gefahren. Wie sich herausstellte, ist das aber keine Fabrik, sondern Veranstaltungsort (eine Eishalle wie ich inzwischen herausgefunden hab. Am 6. September findet dort Kalasmottagningen, die große Begrüßungsparty für die Erasmus- und anderen Austauschstudenten statt.) Die eigentliche Schokoladenfabrik befindet sich in Ljungsbro, einem Nachbarort von Linköping.
Am Montag habe ich dann meine Wohnheimschlüssel abgeholt, wir haben meine Sachen ins Zimmer gestellt, einige Lebensmittel eingekauft und dann mußten wir uns auch schon verabschieden. Papa, Susi und Ursula sind zurück nach Småland und weiter nach Deutschland gefahren und ich hab mich auf den Weg zum Campus gemacht, um so schnell wie möglich die Gegend kennenzulernen. Zwei wichtige Dinge habe ich auch gleich an diesem Montag erledigt: Ich hab meine Kåravgift bezahlt (Ein Kår entspricht in etwa unserem Studentenwerk, wird aber von den Studenten geleitet. Also eigentlich eher wie eine Studentenverbindung mit Teilnahmepflicht.) und ich habe mir ein Fahrrad gekauft.
Fahrräder sind hier das Fortbewegungsmittel Nummer eins, ohne wäre man ganz schön aufgeschmissen. Folglich hat auch praktisch jeder Student eins. Ich hab es geschafft, mir die wahrscheinlich schlimmste Schrottkiste auszusuchen, die der Händler im Angebot hatte. Ich mußte gleich am nächsten Tag noch einmal hin, um mir den Sattel auswechseln zu lassen und irgendwie wollte der dritte Gang einfach nicht funktionieren...
Den Dienstag und Mittwoch hab ich genutzt, um mich offiziel anzumelden und allerhand andere organisatorische Dinge zu erledigen, wie zum Bleistift meinen LiU-email-account einzurichten, weil man sich ohne den nicht zu Kursen und Prüfungen anmelden kann. Am Donnerstag ging das zweitägige Orientierungsprogramm für die Erasmusstudenten los und endlich konnte ich auch mal wieder etwas mehr Worte mit jemandem wechseln als "Hej!" vom Korridor in den Gemeinschaftsraum zu rufen. Meine Mitbewohner lerne ich (leider) nur schrittchenweise kennen. Am Montag hatte Richard von gegenüber an meine Tür geklopft, um "der neuen Hallo zu sagen" und abends stand plötzlich ein Vampir vor mir, der sich als mein Mitkorridorbewohner Martin vorstellte und mir gleich versicherte, daß er keinesfalls verrückt sei. In Linköping ist es nämlich Tradition, daß sich die Fadder, das sind die Studenten, die den Erstsemestern und anderen Neuankömmlingen in den ersten Wochen durch den Uni-Dschungel helfen, verkleiden und so auch den ganzen Tag lang rumlaufen. Nicht nur auf dem Campus, sondern auch in der Stadt oder im Supermarkt. Gleich am ersten Tag sind beim Einkaufen zwei Schotten mit Einkaufswagen im Gleichschritt an uns vorbeimarschiert. Außer Vampiren und Schotten gibt es auch noch Ritter, Piraten, Krokodile, Kung-Fu-Kämpfer, etwas, das aussieht wie Römer mit Chinesenhut und seltsame, in schwarze Kutten gehüllte Wesen mit rotglühenden Augen. Abgesenen davon laufen hier fast alle mit verschiedenfarbigen Overalls rum, die sie mit Aufnähern dekorieren. Die Farbe sagt etwas über das Fach aus, das man studiert und die Overalls können immer getragen werden und dürfen nie gewaschen werden, es sei denn es kotzt jemand drauf. So muß man sich nie Gedanken um seine Kleidung machen. Mir selbst einen zu holen, hab ich aber noch nicht geschafft. Austauschstudenten bekommen einen blauen. Bei mir im Korridor trägt Richard 'nen gelben und einen schwarzen trägt Henrik, sofern ich mir das richtige Gesicht dazu gemerkt habe. Der vierte Schwede im Korridor heißt Niklas und dann wohnen hier noch Anastacia aus Russland, Lori aus Usbekistan und Ebru aus der Türkei sowie Stefan aus München.
Stefan hab ich erst getroffen als ich mich Donnerstag auf den Weg zum ersten Teil der Einführungsvorträge machen wollte, obwohl er schon drei Tage länger als ich hier wohnte. Beim Orientierungsprogramm habe ich dann auch endlich meine Leute aus Frankfurt getroffen, Elisabeth und Sebastian aus meinem Schwedischkurs, Jessika aus der Warteschlange vor Frau Seegers Büro und Fenya, die ich ebenfalls vom Campus FFO kannte. Da fühlt man sich doch schon gleich nicht mehr so allein.
Der Freitag allerdings wurde ein richtig beschissener Scheißtag. Jawoll. Ich hab mich am Morgen extra zwei Stunden früher auf den Weg gemacht, weil ich zuerst noch in die Stadt fahren wollte, um bei der Bank meine Miete zu bezahlen. Leider konnte man das nicht bei der Uni zahlen, sondern nur Cash bei 'ner Bank oder dem Svensk Kassaservice. Als ich mich auf mein Rad geschwungen hatte und in die Pedale trat, stellte ich aber sehr schnell fest, daß ich absolut nicht vom Fleck kam. Also habe ich das Rad die 500 Meter zum Händler geschoben (das Einkaufszentrum ist gleich vor der Tür), bei dem ich am Tag vorher schon war, um ihn zu bitten, daß er etwas gegen den kaputten dritten Gang tut. Wie sich herausstellte, war der Draht der Schaltung gerissen und mußte komplett erneuert werden. Also hieß es, Rad da lassen, die Miete fürs Erste klemmen, und zu Fuß zur Uni. Dort wollte ich die verbleibende Zeit dann nutzen, um meinen Studentenausweis, die LiU-Kort abzuholen und hab mir beim Imma-Amt 'ne Nummer gezogen (hier zieht man nämlich für alles 'ne Nummer, bei der Bank, bei der Apotheke, beim Klo... ok, auf Klo darf man so). Als ich dran war, hatte ich noch drei Minuten um pünktlich beim zweiten Teil des Vorbereitungskurses zu sein. Ich hatte alle notwendigen Unterlagen fertig in der Hand, aber ich war im System nicht zu finden. Wie sich herausstellte, bin ich beim Kår mit einer falschen Personnummer registriert gewesen und hatte meine Avgift für diese Nummer gezahlt, die dann natürlich nicht mir gutgeschrieben wurde. Also konnte ich meinen Ausweis nicht bekommen. Also bin ich dann statt zu meiner Veranstaltung zum Kårservice gegangen, um zu versuchen, die Sache zu klären. Also bin ich zu spät gekommen und mußte mir die Vorträge aus der Eingangsschleuse des Hörsaals aus anhören, da es keinen Hörsaal hier gibt, der alle Austauschstudenten auf einmal fassen würde. Und als ich abends dann, wie abgesprochen, mein Fahrrad abholen wollte, war es noch immer im gleichen Zustand wie als ich es abgegeben hatte. Dabei brauchte ich es doch unbedingt am nächsten Tag.
Am Samstag wollte ich mich mit Anna treffen, die ich auf einem Bandforum im Internet kennengelernt hatte. Zum Glück war mein Rad Mittags fertig so daß ich nicht zum Bahnhof laufen mußte. Ich bin mit dem Zug nach Norrköping gefahren und hab den Nachmittag auf der Veranstaltung verbracht, für die Anna verantwortlich war. Es haben zwei Bands aus der Stadt gespielt, man konnte T-Shirts selbst gestalten, es gab Obst, Kaffee und Saft und Abends einen Vortrag zu den Wahlen am 17. September. Zwischendurch aber besonders in den eineinhalb Stunden, die wir dann gemeinsam auf den letzten Zug gewartet haben, hatten wir auch Zeit uns zu unterhalten. Anna war ja so schwer zu verstehen, da sie schrecklich schnell spricht und außerdem ein sehr ausgeprägtes Öchötska, der Akzent hier in der Gegend. Als ich dann um Mitternacht wieder am Bahnhof Linköping ankam, regnete es in Kübeln. Ich wollte nicht warten und bin trotzdem losgefahren. Ich dache, daß mein Regenponcho das schon abhalten würde. Womit ich nicht gerechnet hatte war der Wind. Ich war innerhalb von zwei Minuten völlig durchnäßt, zumindest an Armen und Beinen. Ich weiß nicht, wie ich es nach Hause geschafft habe, denn ich konnte nach wenigen Minuten schon nichts mehr sehen und meine Schuhe waren wie kleine Badewannen, randvoll mit Wasser. Bei diesem Wetter sollte ich wirklich darüber nachdenken, mir doch noch Gummistiefel anzuschaffen. Ums Komisch-Aussehen brauche ich mir hier ja keine Gedanken zu machen.
Mein eigentlicher Kurs beginnt übrigens erst am 5. September, also habe ich noch fast zwei Wochen frei. Vielleicht schaffe ich es, in dieser Zeit einen Aushilfstudentenjob für das nächste halbe Jahr zu finden...
Kommentare: 2 sind genug für einen Fanclub!
am 05. September 2006 um 01:39 schrieb Joachim
Hejsan!
Das ist ja toll, so direkt die ersten Schritte oder Sprünge in Sverige mit zu verfolgen. Ganz toll. Das hätte ich mir auch mal zu Studentenzeiten gewünscht. Doch sooo flexibel war ich wohl damals nicht.
Gern werde ich das Geschehen und die Abenteuer bin der Stadt der Verkleideten weiter verfolgen, auch wenn ich es erst heuer geschafft habe, mal rein zu schauen.
Allt gott för Dig Joachim
am 28. September 2006 um 17:47 schrieb dein cousinchen
huhu oda besser hej?  achja, hab mir jez alles ma so durchgelesen...hört sich echt spaßig und toll da an, trotz einiger pannen  hoffe, hast noch ganz viel spaß da  bis bald, tschüssi *dein cousinchen*
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